Die weibliche Brust ist oben eng und erweitert sich nach unten; die Schnürbrust hingegen ist oben weit und verengt sich nach unten. Die Rippen der Brust sind nie auf beiden Seiten von gleicher Stärke, die Schnürbrust preßt sie aber von beiden Seiten gleich stark zusammen. Die Brusthöhle hat von Natur aus ihre angemessene Weite erhalten, damit Herz und Lunge darinnen hinlänglich Platz haben, um ihre, für Gesundheit und Leben so äußerst wichtige Aufgaben ungestört verrichten können, die Schnürbrust verengt aber nicht nur diesen Raum, sondern zwingt auch die Brusthöhle, einen Teil der Eingeweide, die für den Unterleib bestimmt sind, mit aufzunehmen. So muß des weisen Schöpfers Werk sich verhunzen, und nach den Leisten der Schnürbrust formen lassen. Schon diese Wahrheit, würdige Gattinnen und Mütter, muß Ihnen die Schnürbrüste abscheulich machen. Denn wenn nun das Gehäuse des Herzens gegen des Schöpfers Absicht zusammengepreßt wird, kann es wohl auf die Fröhlichkeit Anspruch machen, die ihm der Schöpfer bestimmte? Ist es zu verwundern, wenn Ängstlichkeit, Bangigkeit, Schwermut in ihm erzeuget werden? Wenn der schlanke, gerade Körper in eine unnatürliche Form geschnürt wird, was ist da anders zu erwarten, als daß er seine gerade Richtung verlieren, und ein unnatürliche Krümmung annehmen werde?
Daß dies nicht bloße Behauptungen sind, beweisen die Ihnen zugeeingeten Abhandlungen, vorzüglich die, auf lauter Erfahrung gründende, vortreffliche Schrift des Herrn Sömmering. Würdige Gattinnen und Mütter! Sollten diese Abhandlungen, wie ich nicht zweifle, Sie von der Schädlichkeit der Schnürbrust überzeugen, so wünsche ich Ihnen Kraft nach ihrer Überzeugung zu handeln und die Fessel zu zerbrechen, in die die Torheit unsere Mädchen und Frauen geschmiedet hatte, den Kerker zu zerreißen, in dem so viele tausend schöne weibliche Körper schon verunstaltet, so viele tausend weibliche Seelen ihrer Heiterkeit beraubt worden sind. Sollten lange Gewohnheit Ihnen diese Fessel, diesen Kerker so zum Bedürfnis gemacht haben, daß Sie davon sich nicht mehr losmachen können, so hoffe ich doch, daß sie die Barmherzigkeit haben, und Ihre Kinder davon freisprechen werden. Heil jenem edlen Weibe, das Kraft und Mut genug hat, sich, oder wenigstens seine Kinder von dem eisernen Zepter der Mode loszureißen! Wenn einst die Töchter, durch die würdige Mutter, auf den Weg der Natur geleitet, schlank wie Erlen emporwachsen, in ihrem Busen ein Herz fühlen, das frei schlagen kann, von alle dem Trübsinne, der unsere Zeitgenossinnen peinigt, frei, für die tausendfachen Freuden, die uns die Natur darbietet. Wenn ihre Lunge frei atmen kann, wenn Enkel und Enkelinnen am vollen Busen spielen können und die Mütter sich nicht in der entsetzlichen Notwendigkeit befinden ihre, mit Schmerzen geborenen Kinder den Ammen zu übergeben.
Zu den Weibern, die sich und ihre Kinder ganz ohne Nachdenken kleiden, sich nicht durch ihren Verstand, sondern durch Pariser Putzmacherinnen leiten lassen, habe ich nichts weiter zu sagen, als daß ich sie herausfordere: zu beweisen, wieviel die Menschlichkeit und besonders das weibliche Geschlecht durch die Schnürbrüste gewinne, und was für großen Nachteil aus der Abschaffung derselben entspringe. Dieses Geschäft kann ja nicht schwer sein, weil sie leicht übersehen können, wie viele Krüppel und Elende unter 500 geschnürten und wieviele Krüppel und Elende unter 500 nicht geschnürten Kindern sich befinden. Ich bin täglich zum Widerrufe bereit, sobald man mir nachweist, daß der geschnürte weibliche Körper vollkommener ist als der ungeschnürte. Der Einfluß der Schnürbrüste (Korsetts) auf den Wuchs des weiblichen Körpers, auf die Bildung, Geburt und Säugung des Kindes scheint mir am besten und sichersten bestimmt werden zu können,