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Perseverance (1868)

Aus dem Englishwoman's Domestic Magazine, im Juli und August 1868

Kürzlich fiel mir durch einen glücklichen Zufall das Buch ''The Corset and the Crinoline'' (wörtlich: Das Korsett und der Reifrock) in die Hände. Darin sind viele interessante Auszüge von Leserbriefen abgedruckt, die in ihrer Kolumne über die Vor- und Nachteile des Eng-Schnürens veröffentlicht worden waren. Über dieses Thema hatte ich mir zwar noch keine Gedanken gemacht, aber die Briefe der vielen Korsett-Befürworter las ich trotzdem mit größter Begeisterung. Kühn sagen sie die Wahrheit, was die Vorteile und den Komfort des Korsett-Tragens betrifft und belegen, daß die Gesundheit der Trägerin nicht beeinträchtigt wird, sogar dann nicht, wenn sie gezwungen wird, sich eng zu schnüren oder es sich unbarmherzig selbst auferlegt. All das kann ich nur bestätigen, zum einen aus eigener Erfahrung und zum anderen aufgrund von Beobachtungen an sich ebenfalls eng schnürenden Frauen.

Die sich zur Taille hin verjüngende Silhouette einer Frau birgt einen bezaubernden Charme in sich und - ich zögere nicht, das zu sagen - übt größte Anziehungskraft auf die meisten Männer aus. Ich glaube, daß viele vernachlässigte junge Mädchen, die ihre Figur verschönern wollen, entmutigt werden, wenn sie ihre eigene Taillenweite von 23, 24 oder mehr Zoll (solche Größen sind nur allzu verbreitet) mit dem hoch angesetzten Standard von 15 Zoll vergleichen, von dem viele sagen, sie hätten ihn erreicht, und sie vermitteln den Eindruck, als ob sie es gewöhnt seien, das Korsett jeden Tag so eng zu tragen. Ich kenne lediglich eine Dame, die diese Meisterleistung vollbringen konnte, und sie zeigte sich niemals öffentlich mit einer so schmalen Taille.

Meiner Meinung nach liegt die untere Grenze dessen, was noch tragbar ist, bei 17 Zoll, auch auf eine Taille, die 18 Zoll mißt, kann ein Mädchen stolz sein, sogar 19 oder 20 Zoll lassen eine englische Lady mittlerer Größe und Statur sehr zierlich und schmal erscheinen. Wenn jemand von 15 oder gar noch weniger Zoll spricht, so kann ich mich nicht des Gedankens erwehren, daß da irgendwo ein Fehler gemacht wurde - daß etwa die Größe angegeben wurde, die das Korsett hatte, als es ganz neu war, vielleicht weil man sich selbst schmeicheln oder anderen imponieren wollte oder daß man einfach eine viel zu kleine Taillenweite angab mit der Absicht, seinen Körper zur Schau zu stellen oder sich selbst zu disziplinieren. Es gibt viele Frauen, die es sich nicht zur Gewohnheit gemacht haben, ihre Taillenweite täglich mit dem Maßband zu überprüfen, und es ist erstaunlich, was für falsche Vorstellungen diese Frauen von ihren Körpermaßen, die sie dann ja auch mit gutem Gewissen anderen mitteilen, haben. Und für viele mag es gleichermaßen überraschend sein, zu erfahren, in welchem Maße sich selbst ein qualitativ sehr hochwertiges Korsett dehnt, wenn es täglich eng geschnürt getragen wird. Meines zum Beispiel wurde von einem der besten Schneider gefertigt, es ist aus Seide und Satin, solide gearbeitet und maß, als ich es neu bekam, genau 15 Zoll. Normalerweise dehnt sich ein Korsett innerhalb weniger Tage um ein Zoll oder mehr und bleibt dann so. Inzwischen kann ich mich nach einer Eingewöhnungszeit auf 16 Zoll schnüren und tue das auch immer dann, wenn ich ein neues Korsett bekommen habe, und zwar so lange, bis ich ''mit ihm eins bin''.

Ich muß gestehen, daß meine Taille selten weniger als 17 Zoll mißt, aber - und hier bin ich sehr streng mit mir - sie überschreitet auch nie die 18-Zoll-Marke. Ich messe meinen Taillenumfang jeden Morgen und auch, wenn sich sonst eine Gelegenheit bietet - meiner Meinung nach ist das Maßband ein unverzichtbarer Begleiter für jede sich eng schnürende Frau, die ihre Figur erhalten oder verbessern möchte. Sobald ich feststelle, daß meine Taille ein bestimmtes Maß überschreitet, schnüre ich mich fester. Obwohl meine Taille jetzt, wenn ich angekleidet bin, 19 Zoll mißt, so ist meine Figur immer noch genauso schmal wie die der meisten anderen Frauen in unserem Land, wenn ich den Stimmen von Freunden und meinen eigenen Augen trauen darf. Ich gestehe, daß das Letztere eingebildet klingt, aber zum besseren Verständnis möchte ich noch hinzufügen, daß ich, obwohl ich als Adlige geboren wurde und durch meine Heirat wieder zu einer solchen wurde, einst eine Dienerin war; daher meine Erfahrung.

Meine erste Herrin (deren Taillenumfang mit 15 Zoll der schmalste ist, den ich je sah) wünschte, so bilde ich mir ein, daß ich adrett aussah. Eine Dame, die sich schnürt, legt auch Wert darauf, daß ihre Dienerinnen hübsch aussehen. Ich habe festgestellt, daß eine junge Erwachsene durch das Tragen eines eng sitzenden Korsetts noch sehr viel an ihrer Figur verbessern kann, selbst wenn sie während ihrer Jugendzeit in dieser Beziehung vernachlässigt wurde. Als Missionarin des Eng-Schnürens kann ich stolz verkünden, daß ich einige wunderbare Wandlungen durchlaufen habe. Meine Herrin war, was das anbetrifft, geradezu enthusiastisch, ihr Kleiderschrank war angefüllt mit Werken der besten Schneider aus London und Paris. Schon bald gab sie mir ein feines kleines Korsett zu eigen, mit dessen Hilfe ich, immer dem Beispiel und der Anleitung meiner Herrin Folge leistend, schnell lernte, meine Taille zu verschmälern, ohne mich dabei unbehaglich zu fühlen.

Ihre Methode war einfach: als erstes schnürte sie das Korsett zwar fest, aber nicht zu eng, von oben nach unten, wo sie die Schnur befestigte, danach schnürte sie wieder nach oben hin; in der Taillengegend waren neun Ösen ganz dicht nebeneinander angebracht, was einem erlaubte, die Taille ganz besonders eng zu schnüren und den Druck genau so zu regulieren, wie man ihn haben wollte. Auf diese Weise konnte sich auch das geflochtene Band nicht lockern, egal wie fest die Schnürung weiter oben oder unten war. Die Verschmälerung der Taille bewirkte eine Ausdehnung des Brustkorbs, also lockerte man das Korsett oberhalb der Taille, um eine zu starke Einschränkung zu vermeiden. Es genügte, wenn die am stärksten geschnürte Partie des Körpers drei Finger breit war. Dadurch haben sie, ich selbst und andere, die ich zur Anwendung dieser Methode gebracht hatte, es geschafft, ohne negative Auswirkungen auf die Gesundheit sehr schlank zu werden; außerdem kann man das behagliche, schöne Gefühl genießen, welches das eng geschnürte und somit stützende Korsett seiner Trägerin bietet; es ist wahrlich ein Luxus, aber ein verdienter Genuß.

Ich möchte eine amüsante Geschichte erzählen: nach meiner Schulzeit wurde ich Kunstlehrerin und als solche betreute ich ein ehrgeiziges, aber schüchternes junges Mädchen hinsichtlich der Verbesserung seiner Figur, sie versteckte sich immer unter einer weiten Jacke, bis ich sie schließlich dazu brachte, ihre Fortschritte öffentlich zur Schau zu stellen. Und prompt wurde sie für alle erlittenen Schmerzen belohnt, denn ein Verehrer machte ihr ein Reitkostüm zum Geschenk, womit sie ihre zierliche Figur hervorheben sollte. Ich fürchtete, daß die zarte Taille für dieses Kostüm um ein weiteres Zoll schmaler werden mußte. Einzelheiten zu erzählen würde jetzt zu lange dauern. Wie auch immer, dies ist ein Beispiel dafür, daß jede Frau, die eine zierliche, schmale Taille hat, deswegen von vielen Männern verehrt wird - man muß sich dessen bewußt sein. Mein Mann behauptet oft lachend, ich hätte ihn mit meiner schmalen Taille gefangen. Ich glaube, daß ich damit seine Aufmerksamkeit auf mich gezogen habe, aber er blieb dann schließlich bei mir, weil ich auch andere, bessere Eigenschaften aufzuweisen habe. Selbst wenn er jemals seine Wahl bereuen sollte - was ich nicht glaube - so werde ich es niemals bedauern, daß ich einst (und immer noch) mit meiner Figur seinem künstlerischen Empfinden entsprach (und noch entspreche), indem ich meine Figur mit einem eng geschnürten Korsett so forme wie der große Künstler Hogarth es in seinen wohlbekannten Kupferstichen darstellt. Mein Körper beschreibt in der Mitte eine Kurve, es sieht aus wie ein tiefer Graben, gerade so wie bei vielen der Korsett-Skizzen aus seiner Zeit. Manche Leute meinen, daß ein eng geschnürtes Korsett den Körper steif und ungelenk erscheinen läßt, aber das ist ganz verkehrt. Wer mir nicht glaubt, den möchte ich auffordern, einmal unauffällig einer eng geschnürten Schönheit zu folgen, sie zu beobachten und ihr anmutiges, wellenartiges Sich-Hin-und-Her-Wiegen mit den Bewegungen einer nicht geschnürten, von jeglichem Korsett unberührten Zeitgenossin zu vergleichen. Ich bin sicher, daß ihr Urteil sehr zu Gunsten des Korsetts und seiner Wirkung ausfallen wird.


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